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Lernen – Geist und Körper im Dialog? Ist die Trennung von Geist und Körper nicht längst überholt?

Am 24.2.2016 war ich zu Gast bei Katja Münker zum Somatischen Salon zum Thema ‘Lernen in und durch Bewegung – Kooperation und Skepsis zwischen Körper und Geist’.

Mit voller Begeisterung dozierte ich über den fruchtbaren Dialog von Geist und Körper in meinem Lernen. Diese irgendwie mittelalterliche Trennung von Körper und Geist, die wir in der somatischen Arbeit meinen endlich überwunden zu haben – ich krame sie leidenschaftlich wieder hervor, nur mit verkehrten Vorzeichen.

Der suchende Geist erkennt den Körper als Träger vieler Weisheiten. Der Geist hat die Fähigkeit sich zu wundern, zu Fokussieren, Fragen zu stellen und zu beobachten. Aber Antworten hat er im körperlichen Lernen keine. Er kann Vorschläge machen, Einladungen aussprechen und beobachten, was der Körper mit all dem tut. Aber es ist der Körper, der die Antwort birgt, der Aufschluss darüber bringt, ob etwas sinntragend die gelebte Wirklichkeit prägt oder nicht. So erlebe ich es in meinem Lernen von und durch Bewegungen.

In gewisser Weise ist mir klar, dass diese Rollenzuweisung Unsinn ist, rein wissenschaftlich gesehen. Aber meine Arbeitsweise funktioniert für mich so gut, dass ich mich verleitet sehe an diese Trennung von Körper und Geist zu glauben zum Zweck von erlebter Lebendigkeit, zum Erleben von innerer Verbundenheit und auch für ein waches Zusammenspiel von innerer Wahrnehmung und der Interaktion mit dem Aussen.

Christine Mauch offenbarte mir im Anschluss an meinen Vortrag, dass sie persönlich mit dieser Trennung nicht wirklich etwas anfangen könne. Wow! Wir kennen und schätzen uns sehr. Wir haben viel Zusammen unterrichtet mit hoher gegenseitiger Inspiration. Wir sind also vielseitig kompatibel.

Vielleicht sind nur meine Begrifflichkeiten irreführend? Das theoretische Konstrukt, während die vielen Schritte im praktischen Tun für sie ebenso viel Sinn machen wie für mich?

In meinem Erleben kommuniziert der Geist mit dem Körper. Aber wie eigentlich? Welche Sprache teilen Geist und Körper? Wo ist die Schnittstelle? In erster Kürze: Körperwahrnehmung (physical sensations) und innere Bilder.

Der Geist kann Bilder gestalten, inspiriert von Büchern, Videos, Erzählungen. Das Bild, das mir vorm inneren Auge entsteht ist nicht deckungsgleich mit dem was mir konkret angeboten wird. Mein Geist kann den Prozess unterstützen aus einem äußeren Bild ein inneres Bild, eine Imagination zu erschaffen. Ich kann die Wirbelsäule an einem Skelett lange anschauen. Schließe ich die Augen, gehen sogleich viele Details verloren. Für das Lernen von Bewegung und Justieren von Körperhaltungen sind diese inneren Bilder ein essentieller erster Schritt. Aber eben nur ein erster, der für sich nicht nicht viel bringen muss. Am Beispiel unter Rücken: Da ist die Frage eher, welche Bilder helfen mir mit weniger Verspannung sitzen oder stehen zu können? Vielleicht bin ich ein eher unterspannter Typ und mein unterer Rücken fällt leicht in sich zusammen.

Der Geist kann Wünsche formulieren, innere Bilder schaffen … Aber sie müssen im Dialog mit dem Körper präzisiert und abgewandelt werden. Was meine ich, wenn ich hier Körper sage? Es sind körperliche Reaktionen, die ich wahrnehme, wenn ich mir ein Bild vorstelle, ein Bild, das ich sozusagen als Skizze meinem Körper vorstelle. Vielleicht merke ich, wie sich ohne mein bewusstes Steuern meine Balance verschiebt, Körperbereiche ihre Spannung oder Position leicht verändern. Ein für manche bekanntes Beispiel ist der Small Dance, eine schlichte Meditation im Stehen. Da ist der Moment, wo Steve Paxton vorschlägt sich vorzustellen mit dem rechten Bein einen Schritt zu machen, es aber nicht zu tun. Allein die Vorstellung dieser Bewegung führt bei den meisten Menschen dazu, dass sich die Balance ein wenig nach links verschiebt und so das rechte Bein entlastet wird. Es scheint einfach so zu geschehen, als Antwort auf ein inneres Bild. Ich nehme das wahr über ‘Physical Sensations’, Rückmeldungen meines Körpers: Mehr Kompression unter dem linken Fuss und im Bereich der linken Beckenhälfte. Das Schwimmen des Beckens auf den Hüftgelenken nach links. Leicht erhöhter Tonus oder Dehnung an der Aussenseite des linken Beines.

Was immer an Veränderungen geschieht, es fühlt sich in mehr oder weniger spezifischer Weise anders an als vorher – bevor ich das innere Bild genutzt habe. Ich ernte sozusagen ein bestimmtes Körpergefühl. Das kommt mir vor wie eine andere Art von Bild, nicht ein visuelles Bild sondern ein Körpergefühl-Bild. Als wäre es nicht mit Ölfarben gemalt sondern eher als wäre ein Bildhauer am Werke gewesen…

Dieses Körpergefühl kann ich mit einiger wiederholender Erfahrung erinnern – also mit meinem Bewusstsein mehr oder weniger gezielt abrufen. Bei mir fühlt es sich eher nach einem Einladen an, dass sich das Bild von diesem Körpergefühl aus irgendwelchen Ecken meines (Körper?)-Gedächtnisses löst und wieder meinem Bewusstsein zugänglich wird.

Innere Bilder, also visuelle Imaginationen, verorte ich mehr im Kopf, in der Großhirnrinde, wer weiss, wo genau dort. Ich kann sie mit bewusster Entscheidung kreieren oder abrufen. Darauf gibt es – wenn das Bild ‘taugt’ – eine körperliche Antwort, die ich gerade nicht bewusst kreieren kann oder will. Dieser Antwort lausche ich. Ich nehme sie wahr über Propriozeption, verschiedenste Rezeptoren für Druck, Dehnung und Lage. Es ist dieses beschriebene Körpergefühl-Bild, dessen Entstehung und Realität ich mehr im Körper verorte. Aber mit meinem Bewusstsein, kann ich seiner gewahr werden …

Es kann auch anders herum gehen. Ich mache Übungen, bringe meinen Körper in bestimmte Positionen oder Aktivitäten. Anschliessend, in wieder neutraler Postion oder Situation, fühlt sich ein bestimmter Körperbereich anders an. Dieses Körpergefühl kann so stark sein, dass ich kaum umhin kann es bewusst wahrzunehmen. Fühlt es sich bereichernd an, bemühe ich mich dieses Körpergefühl-Bild abzuspeichern. Vielleicht entsteht dabei bei diesem Versuch ein eher visuelles Bild, dass mir beim bewussten Abspeichern hilft. Oder ich versuche zu rekonstruieren, was ich genau getan habe.

In beiden Fällen handelt es sich um einen Dialog zwischen mentaler und körperlicher Aktivität, Aktion und Reaktion in wertschätzender, zuhörender Grundhaltung.

Spannend finde ich, dass mit viel Übung ‘der Kopf’ direkt auf die Körpergefühlsbilder zugreifen kann, also auf diese Bilder, die eigentlich der Körper produziert. Ich nutze anfänglich entweder innere Bilder oder körperliche Übungen, um ein bestimmtes Körpergefühl zu erzeugen. Meine inneren Bilder gestalte ich immer mehr aus, Übungen verfeinere ich. Am Ende kann ich jedoch manchmal auf Übungen und innere Bilder komplett verzichten und statt dessen das Körpergefühl direkt abrufen oder einladen. Es ist dann nur ein schlichter Gedanke, eine bestimmte Form von Aufmerksamkeit, die ich in einen spezifischen Körperbereich stecke. Das ist dann ausgesprochen unaufwendig und alltagstauglich.

Ich habe anfangs von Wünschen gesprochen, die ich in an meinen Körper richten kann. Dies ist eine andere Art Veränderungen zu erreichen. Vielleicht ein wenig hilfloser, vielleicht aber manchmal auch ein wenig ehrlicher. Mit weniger Hang zur Kontrolle, mehr Hingabe und Einlassen. Es ist als würde ich die ganze Arbeit mit den inneren und den Körpergefühl-Bildern überspringen. Ich wünsche mir zum Beispiel mehr Weite oder weniger Verspannung im unteren Rücken. Ich merke, dass ich überspannt bin, muss mir aber auch eingestehen, dass ich keinen Zugriff habe dort loszulassen oder irgendetwas direkt zu verändern. Ich glaube daran, dass mein Körper alles in seiner Macht stehende tun wird, mir diesen Wusch zu erfüllen. Meine Aufgabe ist es diesen Wunsch so zu formulieren, dass mein Körper damit etwas anfangen kann. Vielleicht arbeitet Autosuggestion genau so. Im Negativen nutzen wir das ja mannigfaltig. All die unbewussten Glaubenssätze. Ich bin zu schwer, zu schwach, zu hart, ich bin zu viel oder nicht genug… der Körper wird über die Zeit einen Weg finden, diese vorgeschlagenen Realitäten herzustellen und zu festigen. Positive Autosuggestion könnte vermutlich genauso funktionieren. Ich selber könnte es jedoch nicht über mich bringen mir positive Leitsätze zu sagen: „Ich bin leicht, flexibel, kraftvoll …“ Fake it until you make it. Warum nicht? Mit einem Lächeln vielleicht. Nachahmungslernen tut ja genau das. Aber ich fühle mich darin nicht Zuhause, nicht ernst genommen. Vielleicht liebe ich auch den erlebten Prozess zu sehr.

Da halte ich es eher mit dem Prinzip Beten. Ich akzeptiere, dass manche Dinge, meist gerade die Wesentlichen, nicht in meiner Hand sind. Ich kann mich aber ihnen öffnen, sie einladen. Ich kann wünschen. Wünschen ist eine Kunst. Wünsche brauchen eine Beziehung zur gegebenen Realität.

Wünsche als liebevolle, vielleicht manchmal auch herausfordernde Anfragen, letzten Endes an mich selbst. Sie gehen einher mit einer Haltung des Öffnens, der Hingabe. Nicht der Härte, die erzwingen will.

Beten, Wünschen … es sind Verwandte der Intention und des Wollens. Wo siedle ich Intention an, wo das Wollen? Ich erlebe es so als gäbe es mal ein mehr mentales Ausrichten (Ich will mich einlassen, ich stelle mir ein Bild vor) und manchmal ein mehr körperliches Wollen (Ich habe Lust auf satte Bewegung, ich sehne mich nach mehr zuhören …)

Das Wollen fühlt sich an als käme es von sich aus aus dem Körper heraus. Die Körpergefühl-Bilder fühlen sich so an als wären sie irgendwo im Körper gespeichert. Anatomische oder überhaupt graphische Bilder haben einen anderen Speicherort, gefühlt eher in der Großhirnrinde, näher am Sehzentrum. Das mentale Ausrichten erleben ich mehr als eine Ausrichtung des Geistes, als wäre hierbei ebenfalls die Großhirnrinde direkter involviert. Nun ja, das Gehirn ist ja aber auch Körper. Und so ist die Trennung von Geist und Körper natürlich irgendwie absurd.

Vielleicht ist das alles etwas abstrakt? Ich habe hier noch ein paar Beispiele aus meiner Arbeit mit dem Körper angeführt, in denen ich mich im Konkreten mit dem Zusammenspiel zwischen Bewusstsein und Körper beschäftige und der Rolle der inneren Bilder und der Körpergefühl-Bilder.

Wäre dieser Text eine Unterrichtsstunde würde ich sagen. Schaut, was ihr braucht. Vielleicht reicht’s jetzt auch schon …

Bodysurfing und Schütteln

Ich denke ans Bodysurfen, dieses hochkomplexe leicht formlose gemeinsame Rumgerolle am Boden. Es braucht ein hohes Mass an Weichheit und Durchlässigkeit im Körper, aber in keiner Weise pure Entspannung. Verschiedenste Körperbereiche müssen in elastischer Weise sehr verbunden sein. Und das in einem ständigen, feinen Dialog von Führen und Folgen, Vorschlagen und Antworten der beiden Tanzpartner.

Wie erlernen wir diese so komplexe Spannungsmodulation? Wir können den Körper mit bestimmten Bewegungsqualitäten versorgen. Ein Schütteln zum Beisiel, das Schwingungen und Wellen durch den gesamten Körper schickt ist eine üblich Option. Wir lernen den Schnellen Wechsel von Spannungsaufbau – wenn wir einen Impuls in den Körper schicken – und Spannungsabbau – wenn die Bewegung sich durch den Körper fortführen soll.

Wie lernen wir das? Vormachen – nachmachen. Ich sehe mir an, was ich wohl tun muss. Z.B. Fuss des aufgestellten Beines in den Boden schieben, so dass sich eine Beckenhälfte leicht hebt, dann wieder loslassen. Ich schaue mir an, wie das Ergebnis aussieht bei jemanden der das kann. Ich sehe die Wellenbewegungen die durch den Körper wandern und versuche es nachzumachen. Woher weiss ich aber, ob ich es richtig mache? Wie soll es sich wo anfühlen? Wie kommunizieren wir, wie sich etwas anfühlt?

Wir können das Gesuchte mit Vertrautem vergleichen, mit Bildern und Situationen, die vermutlich die meisten Menschen ähnlich erleben. Wie reagiert mein Körper darauf? Z.B auf das Bild der Alge, die im Bachlauf den Wellenbewegungen des Wassers folgt. So kann sich meine Wirbelsäule im Schütteln anfühlen. Der Prozess ein Bild zu entwickeln, dass für einen bestimmten Zweck funktioniert ist das Resultat einer engen Kooperation zwischen Geist und Körper, oder?

Unterer Rücken, Po …

Gerade war ich mit einem Prozess in der Klein-Technik beschäftigt. In recht strikten simplen Formen, wie dem langsamem Abrollen des Oberkörpers im Stehen und ein langes Forschen in der vornüber gebeugten Position, gibt es einen Prozess, wo man nur schwerlich unangenehmen Momenten ausweichen kann. Habituelle Überspannungen melden sich deutlich zu Wort.

Spannung im unteren Rücken. Ich nehme an, dass ich nicht der Einzige bin, der in seinem Leben mit Schmerzen im unteren Rücken zu tun hatte. Es brauchte einige Jahre bis ich erahnte, dass ich in alltäglichen Situationen bestimmte Muskelgruppen fast dauerhaft beanspruchte, die eigentlich für eine solche Dauerleistung nicht ausgelegt sind. So die Rückenstrecker – diese beiden dicken Muskelstränge auf beiden Seiten der Wirbelsäule und tiefere Schichten der Po-Muskulatur.

Die merkwürdige Aufgabe heisst nun Muskelgruppen zu entspannen, deren Anspannung ich aber gar nicht wahrnehmen kann. Mit Hilfe von außen (schlauen Menschen), kann ich verstandesmässig erkennen, dass ich die benannten Muskelgruppen anspanne, vielleicht sogar mit direktem Feedback, wie durch Anfassen und ich merke die muskuläre Anspannung.

Es hat mich gefühlt Jahre gekostet diese Spannungen wahrnehmen zu können und partiell loszulassen. Und es ist noch immer ein Weg zu gehen. Aber wie habe ich es geschafft diese Anspannungen wahrnehmen zu können und ein Loslassen zu ermöglichen? Etwas, dass so weit ausserhalb meiner bewussten Kontrolle lag? Das ist eine ehrliche Frage an mich selbst. Gab es da wirklich diesen Dialog von Geist und Körper, den ich so feiere?

Katrin Krüger, eine Workshopteilnehmerin und Kollegin, hat eine schöne Entdeckung geteilt zum Thema im unteren Rücken mehr Länge und Weite zu finden. Im Reflektieren zu einer Übung sind in ihr zwei Bilder aufgestiegen.

„In dem ersten Bild habe ich den unteren Teil der Wirbelsäule als knöcherne Skelettstruktur gesehen und einen Wind „gespürt“, der an dieser Struktur entlang streicht.

Heute, also einen Tag nach dem Workshop, bin ich mit dem Fahrrad zur Arbeit gefahren und habe den Fahrtwind gespürt. Sofort hatte ich mein Skelettbild vor Augen und hatte das Gefühl, dass der Wind den unteren Teil meines Rückens in die Länge weht. Ich habe dann (den Wind) bewusst eingeatmet und den unteren Rücken während des Fahrens lang werden lassen. Ich konnte bewusst mit der Ein- und Ausatmung spielen und so den unteren Rücken mal „längen“ und mal komprimieren.

Dieses „Bildgefühl“ hält bis jetzt an und lässt mich eine Verbindung zum unteren Ende der Wirbelsäule spüren, die durch mein Zentrum (um die Bauchnabelgegend herum) führt

Ein zweites Bild ist während des Workshops in mir entstanden, als wir uns kurz wieder auf uns selbst und unseren Körper besinnen sollten. Ich lag auf dem Rücken und hatte beide Füße aufgestellt. Ich konnte gut das Becken, wie eine Schale fühlen. In dieser Schale war eine imaginäre Kugel, die ich durch leichte Bewegungen rollen lassen konnte. Ich konnte diese Kugel durch die Wirbelsäule hoch bis in meinen Mund rollen lassen und wieder zurück. Die Verbindung Kopf – Wirbelsäule – Becken war ganz präsent

Erkenntnisse:

Die Bilder sind während sehr feiner Körperarbeit entstanden oder sogar in scheinbarer Ruhe.

Die „Bildgefühle“ wirken auch im Alltag. Sie erzeugen eine Körperpräsenz, die im Alltäglichen oft fehlt.

Ich habe über die These nachgedacht, dass Bilder, die von außen mitgegeben werden, einengen und damit eher blockieren können. Ich erinnere mich an Situationen, in denen Bilder von außen meine Bewegungen im Tanz inspiriert und geschmeidiger gemacht haben. Diese Bilder sind fast immer mit Wasser assoziiert (Meer, Fluss, Fontänen, Strudel etc.). Meine Gedanken dazu sind, dass ein Bild eine Wirkung auf mich haben kann, wenn es an grundsätzliche körperliche Erfahrungen anknüpfen kann. Erfahrungen, die auch pränatal sein können und im Körpergedächtnis abgespeichert sind. Einengend können Bilder aus meiner Sicht sein, wenn sie nicht optional und als Einladung formuliert werden – oder, die körperlichen Erfahrungen nicht positiv waren.“